bears and more • Klaus Pommerenke
 
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23. März 2013
Kanada wirbt in den USA für Pipelinebau und Öl
aus den Teersande-Abbaugebieten in Alberta
 
Joe Oliver, Kanadas Natural Resources Minister, tourte durch die USA, um für das Öl aus den Teersande-Abbaugebieten Albertas zu werben und für den Bau der Keystone XL-Ölpipeline von Alberta in die USA. Nachdem Präsident Obama den Bau dieser Pipeline durch die USA zunächst auf Eis gelegt hatte, versucht Oliver mit allen Mitteln, die USA zur Abnahme dieses „schmutzigen Öls“ mit extrem schlechter Umweltbilanz zu gewinnen. Dabei bezeichnete er die Ölgewinnung aus den Teersanden als besonders umwelt- und klimafreundlich, ja als „grün“. Vor dem Chicago Council of Global Affairs verstieg er sich in seinen Lobpreisungen für dieses Öl in völlig realitätsferne Regionen, so dass er aufgrund seiner Unglaubwürdigkeit sogar in Kanada Kopfschütteln verursachte. „Ottawa pitches the oil sands as ‚green‘“, schrieb Paul Koring in der Globe and Mail am 5. März 2013 über den Auftritt Olivers. Joe Oliver erklärte in Chicago: „The oil sands are a greener alternative than some other sources from around the world … Canada is the environmentally responsible choice for the U.S. to meet its energy needs in oil for years to come.“ Oliver sagte weiter: „Canada is a global environmental leader … and yes, that includes the oil sands“. Er nannte die Teersande-Industrie „safe, (with only) a negligible effect on emissions“. Das Öl aus den Teersanden käme „from a reliable, friendly and environmentally responsible country“. Die Gefahr, dass die Giftbrühe aus den riesigen Abwasserseen mit toxischen Förderrückständen der Ölförderung langsam aber sicher durch die schlampig aufgeschütteten und unzureichend gesicherten Dämme hindurchsickert und das Grundwasser verschmutzt, leugnet Joe Oliver wider besseren Wissens. Immer mehr dieser Giftseen entstehen im Fördergebiet der Teersande, schon jetzt nehmen sie eine Fläche von 176 km² ein (dies entspricht etwa 1/3 der Fläche des gesamten Bodensees). Sie umfassen schätzungsweise 830 Millionen cbm Schlamm und Giftbrühe und jeden Tag kommen Millionen Liter hinzu. Zur Wasserqualität dieser Seen erklärte Joe Oliver unverfroren: „You’ll be able to drink from them.“ Joe Oliver sei empfohlen, in einem Realitätstest aus dem Base Mine Lake des Syncrude-Konzerns ein paar Schlucke zu trinken. In diesem Gift- und Abwassersee mit Förderrückständen starben vor einigen Jahren ca. 1.500 Wasservögel – durch den Kontakt mit diesem klebrigen Giftschlamm. Trotz aller Dekontaminationsanstrengungen wird sich an der Zusammensetzung der Giftbrühe auch in Zukunft wenig ändern und dies weiß auch Joe Oliver.
 
Einer der Abwasserseen von Syncrude (tailing pond) mit giftigen Förderrückständen. Die Fläche dieser Giftseen beträgt bereits 176 km². Der kanadische Umweltminister Joe Oliver erklärte auf seiner Werbetour durch die USA: „You’ll be able to drink from them.“
© David Dodge, The Pembina Institute
 
Dokumente staatlicher Stellen, die die Toxizität beweisen, sind Joe Oliver bekannt, doch er zog es vor, die Öffentlichkeit zu täuschen. In einem Schreiben von Natural Resources Canada vom 19.6.2012 an den Minister heißt es: „The studies have, for the first time, detected potentially harmful, mining-related organic acid containments in the groundwater outside a long-established, out-of-pit tailing pond“ (Memorandum to the Minister. Pending release by Natural Resources Canada of reports on natural vs. human-caused contamination in the oil sands region of the Athabasca River, Alberta, Serge P. Dupont). Es gibt äußerst kontrovers diskutierte Pläne, wie die teilweise 20 Jahre alten Giftseen in „saubere“ Seen verwandelt werden könnten, doch diese Technologien sind im großen Stil noch nie erprobt worden. Es gibt Überlegungen, die Giftbrühe in bis zu 30 andere riesige künstlich anzulegende Seen zu pumpen oder den Schlick der alten Giftseen mit einer bis zu 5 Meter hohen Frischwasserschicht „abzudecken“ – in der Hoffnung, dass eine Durchmischung weitgehend unterbleibt.
 
Suncor-Abwassersee (tailing pond) mit giftigen Förderrückständen
© David Dodge, The Canadian Parks and Wilderness Society/The Pembina Institute
 
Statt wissenschaftlicher Ergebnisse, die auf die Gefahren der Teersande-Förderung und die Ölgewinnung hieraus hinweisen, ernst zu nehmen und politisches Handeln so auszurichten, dass Gefahren für Mensch und Umwelt abgewendet werden können, versucht die kanadische Regierung wissenschaftliche Erkenntnisse selbst von eigenen Forschern staatlicher Stellen, z. B. vom Department of Fisheries and Oceans oder von Environment Canada, zu unterdrücken. „Censorship is alive and well in Canada – just ask government scientists“, überschrieb Elizabeth Renzetti ihren Artikel vom 22.2.2013 in The Globe and Mail. „Muzzling Civil Servants: A Threat to Democracy?“ heißt eine Studie von Clayton Greenwood vom Februar 2013 von der University of Victoria. Das Department of Fisheries and Oceans (DFO) leidet besonders unter den Zensurregeln der Harper-Regierung. „Angry scientists and academics are accusing the Stephen Harper government of muzzling and censoring its scientists to the point that research cannot be published, even when there is collaboration with international researchers, unless it matches government policy“, schrieb Judith Lavoie am 15.2.2013 im Times Colonist (Harper-controlled DFO is censoring federal scientists with research rules, critics say). Jim Turk, Direktor der Canadian Association of University Teachers, stellte fest: „The federal government wants to control what scientists do and what they find and how it’s reported. They want to suppress findings that can be seen as being against their political objectives.“ Aufgrund des Maulkorb-Erlasses der Regierung Harper ist Kanada auf dem World Press Freedom Index gleich um 10 Plätze auf Rang 20 zurückgestuft worden (an der Spitze liegen Finnland und Belgien, Deutschland ist nur auf Platz 17, am Schluss liegen Nordkorea und Eritrea).
 
Der Athabasca River südlich von Fort McMurray
© David Dodge, The Canadian Parks and Wilderness Society/The Pembina Institute
 
Bei seiner Werbetour durch die USA, um den Teersande-Abbau in Alberta als besonders „grün“ anzupreisen, unterschlägt Joe Oliver auch weitere wissenschaftliche Ergebnisse der jüngsten Zeit. Anhand von Computermodellen konnte Ecojustice (www.ecojustice.ca) zeigen, wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK’s, polycyclic aromatic hydrocarbons), die aus Schornsteinen der Anlagen von Suncor Energy und Syncrude Canada emittiert werden, nicht nur Böden, sondern auch den vorbeifließenden Athabasca River belasten. Einige dieser PAK’s sind für Menschen eindeutig krebserregend. Sie stehen im Zusammenhang mit Lungen-, Kehlkopf-, Haut-, Magen-, Darm- und Blasenkrebs, Krebsarten, die bei den First Nations flussabwärts der Teersande-Abbaugebiete am Athabasca River gehäuft auftreten. In der Studie von Ecojustice vom März 2013 (Oilsands pollution and the Athabasca River: Modelling particulate matter diposition near Alberta’s largest free-flowing river; Elaine MacDonald) heißt es: „Research undertaken by Ecojustice demonstrates that pollutants emitted by oilsands facilities in Northern Alberta are contaminating the nearby Athabasca River and its tributaries, which are fish-bearing waterways. Our findings support earlier research led by Dr. David Schindler and Dr. Erin Kelley, which concluded that airborne contaminants from oilsands operations accumulate in nearby snowpads, which later melt and feed into the Athabasca River … Even though the oilsands are one of the biggest industrial projects on the planet, the federal government doesn’t monitor and report oilsands pollution in an accessible, transparent way. Without this data, polluters cannot be held to account. Canadians need to know the full extent to which oilsands operations impact their health and the environment. The federal government must immediately carry out a full investigation to determine if oilsands operators are violating the Fisheries Act.“ Auch der Schutz der First Nations am Athabasca River vor gesundheitlichen Gefahren durch die Ölgewinnung aus den Teersanden wird bislang sträflich vernachlässigt.
 
Es ist davon auszugehen, dass wissenschaftliche Ergebnisse, die politisch unerwünscht sind, weil sie sich kritisch mit dem Teersande-Abbau, den Risiken von Pipelinebauten und Öltankerverkehr entlang der Küste von BC auseinandersetzen, auch weiterhin von der kanadischen Regierung totgeschwiegen werden. Dafür beträgt der Werbeetat des Ministeriums (Natural Resources Canada), um für die Ölgewinnung aus den Teersanden werben zu können, alleine für 2012/13 9 Millionen CAD. Dies veranlasste Greenpeace Canada zu einer Petition, Steuergelder nicht in Werbekampagnen für die Ölindustrie zu verschwenden, sondern in klimafreundliche Technologien zu investieren. In der Petition heißt es: „Last year, the Harper government spent $9 million on ads promoting how ‚green‘ the federal government and the tar sands industry are. This ad campaign was designed to hide how Harper gutted Canada’s environmental laws in the omnibus budget bills in order to fast-track new tar sand mines and pipelines. Now he is colluding with the oil industry to spend even more of your money on ads to promote the tar sands industry as ‚environmentally responsible‘.“
 
Suncor Millennium Oilsands Mine. „The oil sands are a greener alternative than some other sources from around the world … Canada is a global environmental leader … and yes, that includes the oil sands“, erklärte Joe Oliver, Kanadas Natural Resource Minister
© David Dodge, The Pembina Institute
 
Die renommierte Helmholtz Gemeinschaft hat – wie am 19.3. gemeldet – zwischenzeitlich die Partnerschaft und Zusammenarbeit mit der University of Alberta (die sogenannte Helmholtz-Alberta-Initiative) über die Energiegewinnung aus den Teersanden bis auf weiteres aufgekündigt. Der Leipziger Professor Frank Messner erklärte zu dieser Zusammenarbeit: „It was seen as a risk for our reputation“ (Quelle: www.euroactiv.com; German research institute pulls out of Canadian tar sands project). „As an environmental research centre we have an independent role as an honest broker and doing research in this constellation could have had reputational problems for us, especially after Canada’s withdrawal from the Kyoto Protocol“, sagte Messner. „It’s a clear signal that Canada’s energy and climate policy is not accepted by the international community, especially Germany.“ Nicht nur die EU, auch die USA stehen dem Öl aus den Teersanden Albertas mit seiner katastrophalen Klimabilanz zunehmend kritisch gegenüber. Die USA könnten aus einem weiteren Grund eventuell auf das Öl aus den Teersanden verzichten. Spätestens 2014 werden sich die USA zum Netto-Ölexporteur entwickeln. Das US-Energieministerium teilte mit, dass durch den (oftmals das Grundwasser verseuchenden) Fracking- und Schieferöl-Boom in North Dakota und Texas die Ölfördermengen der USA auf über 7 Millionen Barrel pro Tag gestiegen seien und sich bis 2014 auf 8 Millionen Barrel erhöhen könnten. Die Ölimporte der USA fielen schon jetzt unter 8 Millionen Barrel täglich.
 
Aufruf von Greenpeace Canada vom 17.3.2013, die „Greenwash“-Werbung der kanadischen Regierung für die Teersande-Industrie zu stoppen
© Greenpeace Canada
 
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